Genderfluide Mode

Shirin Williams • Styling | Inspiring

Wenn feminin und maskulin sich annähern

Hallo lieber STILGENUSS Leser,

unsere Kleidung spiegelt – im Idealfall – uns selbst und wie wir uns sehen wider. Sie kann uns dabei helfen unsere Persönlichkeit anderen zu kommunizieren. Dadurch, dass unsere Kleidung eng mit dem eigenen Selbstverständnis verknüpft ist, war die Trennung bis dato in der Mode glasklar: Vieles galt als typisch „maskulin“, anderes als typisch „feminin“. Artikel wie zum Beispiel Kleider, Röcke, Nagellack und Schmuck war rein dem weiblichen Geschlecht vorbehalten.
Doch wir sind im Wandel und Kleidung ist auch stets ein Spiegelbild unserer Zeit. 

Heute soll es in diesem Beitrag mal nicht um Stil-Tipps und Ratschläge gehen. Es geht vielmehr um Aufklärung, um einen Wechsel der Perspektive, um das Öffnen der Augen für Neues.  Ohne das Alte und Bekannte schlecht zu machen.

Immer häufiger hört man den Begriff „genderfluide Mode“. Googelt man danach, entdeckt man Bilder von Männer in Röcken und transparenten Blusen, Frauen in weiten Trenchcoats und maskulinen Boots. Für viele mag es auf den ersten Blick befremdlich wirken. Jedoch, wenn man sich näher damit beschäftigt, kann es für den ein oder anderen eine neue Art der Selbstdarstellung verkörpern.

Was bedeutet „Genderfluid“ eigentlich?

Der Ausdruck „Genderfluidität“ ist verwurzelt in der Identitätsforschung. Hiermit wird eine Form der Identifikation des Geschlechts bezeichnet. Dabei fühlt sich der jeweilige Mensch mal der weiblichen, mal der männlichen oder auch einer anderen Geschlechtsform zugehörig fühlt. Diese Person sieht sich selbst als nonbinär. Nicht dem herkömmlichen, streng zweigeteilten System der Geschlechter zugehörig.

Wie versteht sich genderfluide Mode?

Im Kontext der Mode bedeutet genderfluid eigentlich dasselbe, nur eben in Bezug auf Bekleidung. Sprich, dass Kleidungsstücke keinem spezifischen Geschlecht zugeordnet sind. Alle Schnitte, Farben, Musterungen und Formen sind für alle Menschen und Geschlechtsidentitäten da. Die Grenzen zwischen feminin und maskulin verschwimmen. Einfach ausgedrückt: Jede Person kann das anziehen, wonach ihr ist – losgelöst von der Geschlechtszuweisung. Dieser fließende Übergang ist das wichtigste Merkmal der modischen Ausrichtung.
Folgt man diesem Gedanken, so kann genderfluide Mode zu der Mode werden, was sie eigentlich sein sollte: eine Erweiterung der eigenen Identität.

“Außerdem kann genderfluide Mode viele Formen annehmen. Es muss dabei nicht immer gleich ins Extreme gehen.

Wichtig dabei: Um genderfluide Mode zu tragen, muss Du nicht zwangsläufig homosexuell oder non-binär sein (oder einer anderen sexuellen Orientierungen und/oder geschlechtlichen Identitäten zugehörig sein). Auch wenn diese modische Ausrichtung ihren Ursprung darin verwurzelt hat, hat es doch vielmehr mit Freiheit, Ausdruck und Verwirklichung des eigenen Selbst zu tun.
Außerdem kann genderfluide Mode viele Formen annehmen. Es muss dabei nicht immer gleich ins Extreme gehen.

Ist genderfluide Mode nur ein Trend? 

Mittlerweile kann man nicht mehr nur von einem Trend sprechen. Bereits Platon sprach in seiner „Lehre von der Liebe“ über drei Geschlechter: Mann, Frau und Androgyn, eine Mischung aus weiblich und männlich. Die Idee des dritten und  „geschlechtslosen“ Geschlechtes hat seit jeher die Menschen in den verschiedenen Epochen unserer Geschichte unterschiedlich stark beschäftigt. Somit ist auch genderfluide oder androgyne Mode keine Neuerfindung unserer Zeit. Bereits im 20. Jahrhundert flossen androgyne Züge in die Mode ein.

Genderfluide Einflüsse in der Vergangenheit 

In den Golden Twenties verzichtete die Damenwelt bewusst auf die Betonung der weiblichen Reize. Die Schnitte der Kleider waren geradlinig und nicht tailliert. Selbstbewusste Frauen wagten es, ihre langen Haare abzuschneiden, um einem attraktiven, „maskulineren“ Kurzhaarschnitt zu tragen.
Auch Hosenanzüge hatten ihren Einzug in die Kleiderschränke der Frauen. Eine der Vorreiterinnen war Marlene Dietrich. Einst die höchstbezahlte Schauspielerin in Hollywood. Als sie 1932 bei einer Filmpremiere im Smoking erschien, war ganz Hollywood schockiert! Nicht nur, weil sie gegen die bisher so gehüteten Normen der Geschlechter verstieß, sondern vor allem, da sie dabei noch so umwerfend gut aussah.

Sehr lange Zeit war Mode reiner Ausdruck des Dazugehörens. Jedoch spätestens seit den 60ern ist auch Mode ein Mittel der Rebellion und des Aufbegehrens gegen den Status Quo.
In den Swinging Sixties hatten Bürger- und Frauenrechtsbewegungen vorrangig ein Ziel: Frauen aus der systematischen Unterdrückung zu befreien und ihre vollkommene Selbstbestimmung zu ermöglichen.
Auch die Mode schloss sich diesem Ziel an. Modedesigner begannen unter anderem den Fokus auf Unisex-Aspekte in ihren Kollektionen zu legen.

Im Jahr 1966 entwarf Yves Saint Laurent einen Hosenanzug für Damen, den er „Le Smoking“ nannte. Dieser Anzug nahm die Basis der bekannten Herrenbekleidung  auf und vermischte sie gekonnt mit weiblichen Aspekten wie einem figurbetonteren Schnitt. Dabei überschritt er eine wichtige Linie: Hosenanzüge für Damen gab es davor schon, jedoch Yves Saint Laurent kam mit dem „Le Smoking“ dem Abendanzug der einfluss- und erfolgreichen Herren sehr nahe und stieß somit auf Kritik.

Bianca Jagger war eine der ersten Frauen, die die modernen Designs von Yves Saint Laurent trug. Sie zeigte stolz die neuartige Silhouette und machte es schwer zu argumentieren, dass Frauen keine Hosenanzüge tragen sollten.

David Bowie, Grace Jones und Prince lebten die genderfluide Darstellung von Mode unter dem Deckmantel ihrer Musik und Inszenierung aus.

 

Und heute?

Heute sind es Stars wie Jared Leto, Young Thug, Jaden Smith, Janelle Monáe, Tilda Swinton oder Harry Styles, die die Trennung der Geschlechter in der Mode aufbrechen. Damit zeigen sie wie vielseitig Bekleidung an jedem Geschlecht sein kann.

Für Gesprächsstoff in den Medien sorgen dabei vor allem Männer, die bewusst feminin-betonte androgyne Kleidung tragen. Dies wird zwar positiv aufgenommen, ist jedoch nach wie vor ein Thema. In erster Linie liegt das daran, dass wir weiterhin in einer von Männern dominierten Welt leben und immer noch klar definiert zu sein scheint, was männlich ist und was nicht. Dem weiblichen Geschlecht wird hier mehr Spielraum zuteil. Sei es, weil Frauen noch nicht genug Ernst genommen werden oder weil sich sie schon früh männliche Attribute in der Bekleidung erkämpft haben.

Welche Labels vertreten den Standpunkt der genderfluiden Mode?

Immer mehr Designer und Marken greifen das Konzept der androgynen Mode auf. „Genderless“ wird fester Bestandteil ihrer Design-DNA. Dabei entwicklen sie Kollektionen, die zur Neutralität gegenüber Geschlechter tendieren. Lediglich die Größen und einige Details markieren Unterschiede.

Prominentestes Beispiel ist Gucci. Seitdem Alessandro Michele Kreativchef des italienisches Luxuslabels ist, wird wenig auf Grenzen von modischen Geschlechtern gegeben. Im Gucci-Universum laden alle Designs alle Geschlechter ein, die Mode zu feiern.

Vor allem bekannt für seine ikonische Tasche mit dem markanten T auf der Front, ist Teflar. Teflar entwirft Schuhe, Strickwaren und lässige Pufferjacken. Alles nach dem Motto „not for you – for everyone”. Auf dieses Konzept setzt Gründer Telfar Clemens schon seit langem. Daher gilt er als einer der ersten Designer, die Androgynität zum Grundsatz ihrer Kollektionen erklärt haben.

Auch das Label Eckhaus Latta vertritt den Aspekt der genderfluiden Mode in ihren Kollektionen. Somit legen sie besonderen Wert auf Inklusion und wollen den Konsumenten eine ernstzunehmende Alternative anbieten.

Die erste Frau, die eine Kollektion bei der Men’s New York Fashion Week präsentierte, war Emily Adams Bode. Dadurch ebnete die Designerin den Weg für Frauen in der Herrenmodewelt. Mit ihrem Label Bode vermarktet sie Luxusmode mit androgynem Look für Herren. Sie verknüpft gekonnt klassische Herrenschnitte mit traditionell femininen Techniken wie Flicken und Stickereien.

 

Du siehst, die Idee der Mode frei von Geschlechternormen, gewinnt immer mehr an Fahrt. Für uns mag es heute noch ungewöhnlich sein, aber in (naher) Zukunft kann genderfluide Kleidung fester Bestandteil der Modewelt sein.
Daher hoffe ich, Dir hat dieser Beitrag gefallen und ich konnte Dir einen neuen Blickwinkel auf ein spannendes Thema geben. Ich wünsche Dir noch einen wundervollen Tag mit vielen stil- und genussvollen Momenten.

Deine Shirin

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